#Guttenberg – Danke für RT!

Es geht um den Unterschied zwischen Beliebtsein und Verantwortung. Das ist die Quintessenz aus dem Fall von zu Guttenberg. RT heißt in der Twittersprache eigentlich Retweet und meint das Weiterleiten von Twitternachrichten. In der Stunde des Rücktritts des Bundesverteidigungsministers flog diese Nachricht durchs Netz: „#Guttenberg – Danke für RT!“ Die Abkürzung steht diesmal für den längst unausweichlichen Rücktritt des Karl Theodor zu Guttenberg. Auf einmal entladen sich Wut und Spott als hätte es die öffentlichen Sympathiebekundungen der BILD-Leser nie gegeben. Gestatten Sie mir, diesen Vorgang politischer Kommunikation zu kommentieren.

Guttenberg hatte seine Fans - aber nicht nur die haben sich im Internet versammelt

Beträchtlicher Schaden für die politische Kommunikation

Karl Theodor zu Guttenberg, Dr. gestrichen, a.D. gewonnen. Er hinterlässt am Ende seiner politischen Karriere einen Scherbenhaufen.

Zum Abgang reißt er auch noch das Grundgesetz mit sich. In Artikel 5 ist die Pressefreiheit geregelt und das Zensurverbot. Es wird ein öffentliches und politisches Nachspiel haben, was sich dieser Propagandaminister selbst zum Schluss noch geleistet hat. Jegliche Live-Berichterstattung war auf seiner letzten Pressekonferenz ausgeschlossen worden. Heimliche Handyaufnahmen eines n-tv-Reporters waren in den ersten Minuten das Einzige, was nach draußen drang. Nun mag man geneigt sein zu fragen, ob ein paar Minuten Verzögerung so schlimm seien? Ja, wenn man den Vorgang in seiner Logik zu Ende denkt. Da sitzen Journalisten im Bundesverteidigungsministerium und erwarten eine heikle Erklärung eines Regierungsmitgliedes. Es ist jenes Ministerium, dass den Einsatz von deutschen Soldaten im Krieg verantwortet. Kein Randressort. Der logisch nächste Schritt nach dem Aussperren der Live-Kameras ist die unmittelbare Zensur oder, was Kriegsministerien weltweit gern praktizieren, der Verweis auf eigenes Material. Deshalb ist dieser Vorgang ein Angriff auf die Pressefreiheit. Die Scheindebatte um Fußnoten vernebelt uns den Blick wie Rauchbomben, die den Vormarsch des Staates in die Verbotszone von Zensur und Propaganda verschleiern. Wehret den Anfängen!

Schon am Beginn der Affäre hatte Guttenberg mit der Presse Katz und Maus gespielt als er die Bundespressekonferenz quasi auslud und so brüskierte. Das bereits zeigte seine Haltung gegenüber einer freien und demokratischen Berichterstattung der Medien ebenso wie die hartnäckige Weigerung zu den Plagiatsvorwürfen ernsthaft Stellung zu nehmen. Außer Sätzen wie: „Ich spreche darüber nur mit der Uni Bayreuth“, kam von und zu Guttenberg nicht viel Substanzielles.

Populismus und staatstragende Propaganda

Zur Person fällt mir nicht viel ein. Ich kenne Herrn zu Guttenberg auch nur von siegerlächelnden Bildern. Wer allerdings bei der eigenen akademischen Arbeit (oder der eines anderen) keinen Maßstab zur Wahrhaftigkeit findet, was können wir ihm rückblickend bezogen auf seine eigentlichen Aufgaben glauben? Und damit meine ich nicht den Vorgang, als da jemand auf der Gorch Fock die Segel streichen musste sondern die Realität des Krieges in Afghanistan und die näher rückende Realität weiterer Kriege mit deutscher Beteiligung. Sie wird uns genau so einholen wie den Ex-Minister der Gestank seiner Fußnoten.

Die BILD-Kampagne Pro Guttenberg in den letzten Tagen hat zwei Erklärungen: Der übliche Populismus und die staatstragende Propaganda eines wichtigen Anzeigenkunden der Bundesregierung. Beides könnte nach dem Rücktritt unwichtig erscheinen, wären da nicht die langfristigen Folgen der Propagandaschlacht um die Festung des Barons Münchhausen – äh Guttenberg. Hier sind Weichen für die politische Kommunikation der Zukunft gestellt worden. Die Public Relations des Kriegsministers war schon in Bezug auf die eigene Person nichts als Propaganda. Das Bismarck-Zitat müsste er aus der Familienchronik seiner Gattin kennen: „Es wird nie soviel gelogen wie nach der Jagd, vor der Wahl und während des Krieges.“ Sagen wir so: er hat sich wahrscheinlich immer dran gehalten.

Wehrhaftigkeit der neuen Demokratie im Internet

Eine neue Entwicklung in der öffentlichen Meinungsbildung wird in Erinnerung bleiben. Die Meinungsmacher im Springer-Verlag und die politische Elite haben eine neue Kraft zu spüren bekommen: die Kraft der sozialen Medien. In einer Nische des Internets hat die Wahrheit in Gestalt des Guttenplag-Wikis genügend Raum gefunden, um nicht verkleistert zu werden von rührseeligen Augenaufschlägen des Ministers und der Kampagne Pro Guttenberg. Dort ging (und geht) es ausschließlich um die akademische Aufklärung der Plagiatsvorwürfe. Dagegen hatte der Verteidigungsminister keine Strategie mehr und das ist auch gut so. Die Wehrhaftigkeit und Weisheit der Massen im Internet ist ein wichtiges, vielleicht das einzige Mittel, um Mediendemokratie auf Dauer zu gewährleisten. Wer in den eigenen Reihen Guttenbergs ein Interesse am Ende seines unaufhaltsam scheinenden Aufstiegs gehabt haben kann, ist eine andere Frage. Aber die stellt sich nur am Rande.

Eins gehört in Erinnerung gebracht: Unter Guttenbergs Führung ist der Krieg zum Unterhaltungsformat im deutschen Fernsehen aufgestiegen. Soviel Begeisterung wie Gutti und Frau bei Kerner im Camp Marmal hatten, vermisst selbst Thomas Gottschalk schon lange. Wetten, dass… es einen Unterschied gibt zwischen „sich beliebt machen“ und Verantwortung übernehmen?

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Seit einigen Wochen schreibe ich am Sachbuch „Propaganda – Deutsch / Deutsch – Propganda“. Unterstützen Sie mich dabei und sichern Sie sich eine Fußnote durch Ihre Begriffsvorschläge und Kommentare! Vielen Dank.

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