Frag verurteilte Mörder, welches Strafmaß sie wählen würden! Die meisten entschieden sich für lebenslange Haft anstelle der Todesstrafe. Werden wir vor die Wahl gestellt, Freiheit oder Tod, dann opfern wir die Freiheit um zu überleben. Jeder von uns. Wir hängen an diesem vergänglichen Licht, selbst wenn es nur noch flackert. Weil wir am Leben hängen, sind wir seit 2001 systematisch in eine furchtbare Propagandafalle gelockt worden. Hunderttausende Menschen haben das mit dem Leben bezahlt. So sehe ich den Zusammenhang.
Wir sind vor die Wahl gestellt: Was ist uns wichtiger? Die Freiheit der Persönlichkeit, der Privatsphäre und der Kommunikation oder der Schutz vor tödlichen Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus? Innenminister Hans-Peter Friedrich erfindet sogar das Supergrundrecht Sicherheit. Wegen Landesverrats müsste man diesen Feigling eigentlich sicherheitsverwahren. Die politische Propaganda redet uns nicht erst seit den Anschlägen vom 11. September 2001 ein, unsere Freiheit stünde im Widerspruch zu den Bedürfnissen der Sicherheit. Das ist Unfug! Freiheit und Sicherheit sind kein Begriffspaar. Das übersehen viele.
Todschlagsargumenten begegnen
Wer sich in diese Falle locken lässt, dem gehen die Argumente aus. Auch ich würde meine Freiheit opfern, wenn ich dadurch mein Leben oder das meiner Familie retten könnte. Aber, kann ich denn wählen? Sicherheit ist buchstäblich ein Todschlagsargument. Sie kann nicht gegen Grundrechte aufgerechnet werden, schon gar nicht durch die Erfindung neuer. Denn Freiheit bleibt gegenüber der Angst um das Leben immer abstrakt, minderwertig. Sie kann mit dem Argument der Sicherheit endlos ausgehölt werden.
Wir müssen Sicherheit mit Sicherheit und Freiheit mit Freiheit in Beziehung setzen. Äpfel und Birnen vergleichen wir doch auch nicht! Vergleichen wir zunächst die Sicherheit. Die Regierung reklamiert den Schutz der Bürger als Staatsziel. Milliardenteure Rüstungsprojekte und flächendeckende Überwachungsprogramme werden so gerechtfertigt, selbst die illegale Bespitzelung des ganzen Volkes. Die selbe Regierung ist nicht in der Lage, ein Tempolimit auf Autobahnen einzuführen, was zweifellos mehr Sicherheit bringen würde. Es ist jedoch zynisch, die Toten auf unseren Straßen mit Al-Qaida in Beziehung zu setzen. Im politischen Kabarett kann ich damit Lacher provozieren. Aber es ist nicht lustig!
Wenn wir über effiziente Sicherheitsorgane sprechen, dann müssen wir Sicherheit mit Sicherheit vergleichen. Die schlimmsten Anschläge in Deutschland hatten nie etwas mit internationalem Terrorismus zu tun: die Morde des sogenannten NSU, die Amokläufe von Erfurt und Winnenden. Solche Verbrechen lassen sich nicht von Computern verhindern, auch nicht von Analysten, die in stupiden Nine-to-Five-Jobs langweilige Emails auswerten. Der beste Schutz ist eine aufgeklärte Öffentlichkeit. An der Schule meiner Tochter wünsche ich mir sensible, aufmerksame Lehrer, die dafür geschult sind, Zeichen von Isolation und Radikalisierung zu erkennen. Das ist wertvoller als Körperscanner. Sind unsere Schulen nach den Anschlägen sicherer geworden? Oder in dem anderen Fall unsere Dönerbuden?
Vergleichen wir noch Freiheit mit Freiheit. Was ist unsere Freiheit wert, wenn ihretwillen Menschen in Ghettos wie in Bagdad oder in Konzentrationslager wie in Guantanamo gesperrt werden? Wie soll ein 17jähriger Pakistani verstehen, dass die Drohnen über seinem Dorf ein Instrument der Freiheit sind? Welcher Freiheit? Macht es unser Leben sicherer, wenn wir ihn ferngesteuert ermorden lassen und seine Freunde glauben, du und ich hätten das gewollt?
Freiheit mit Freiheit aufrechnen!
Der letzte Golfkrieg war vollständig mit einer Propagandalüge der US-amerikanischen Geheimdienste gerechtfertigt worden. Der Irak hatte, wie wir längst wissen, keine Massenvernichtungswaffen. Es ging weder um Freiheit, noch um Sicherheit! Im Irak haben das nach offiziellen Angaben über 120.000 Zivilisten mit dem Leben bezahlt. Andere Schätzungen gingen schon 2006 von über einer halben Million Toten aus. Wer schützte die Sicherheit dieser Menschen? Im Namen der Freiheit haben in diesem Krieg mehr Amerikaner ihr Leben verloren als bei den Anschlägen vom 11. September 2001. War es das wert? Schon damals gab es eine BND-Affäre. Diese Kollaboration im Namen von Freiheit und Sicherheit betraf uns weniger als der aktuelle Abhörskandal. Deshalb haben wir es durchgehen lassen.
Um die aktuelle Diskussion zu beenden braucht es nur eine gefundene Kofferbombe. Sie muss nicht einmal hochgehen, um Kritiker der Bespitzelung mundtot zu machen. Die Propagandastäbe wissen das. Die Falle wird wieder zuschnappen. Es braucht keine Verschwörungstheorie, um das zu erkennen. Al Qaida ist längst zum größten Treiber der Rüstungs- und Überwachungstechnologie geworden.
Ausweg aus dem Dilemma
Ein Dilemma löst man in der Kommunikation immer dadurch auf, dass man es zunächst erkennt. Du kennst nun das Dilemma von Freiheit und Sicherheit. Es ist eine kollektive Doppelbindung, die unsere öffentliche Meinung an den Rand der Schizophrenie manövriert hat. Wir können sie ganz einfach auflösen, indem wir Menschen als Menschen begegnen, in dem wir Verbindendes suchen anstatt Trennendes zu betonen, miteinander reden.
Die Propaganda hat es geschafft, dass selbst mir mulmig wird, wenn in der Bahn eine Frau mit Burka neben mir sitzt. Wie konnte es gelingen, dass ich ihr Kleid mit Sprengstoffgürtel assoziiere und nicht mit Dattelreis? Wem nutzt der Scheiß?
Kein Millimeter Freiheit darf der Sicherheit geopfert werden! Die deutsche Geschichte lehrt das. Erst der Verlust von Freiheit hat den schlimmsten Terror überhaupt erst möglich gemacht. Dem mächtigen Sicherheitsapparat von BND, Verfassungsschutz, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und anderen Geheimdiensten stehen gerade mal 11 Mitglieder des Parlamentarisches Kontrollgremiums gegenüber. Glaubst du, ein tapferer alter Mann wie Hans-Christian Ströbele von den Grünen könnte die Mitarbeiter der neuen Berliner BND-Zentrale zu Schichtbeginn auch nur zählen, geschweige denn kontrollieren?
Den Allmachtsphantasien der neuen Staatssicherheit müssen Parlamentarier, Journalisten, Richter, Staatsanwälte und Polizisten entgegentreten. Selbst Regierungsvertreter, Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter, die es nicht länger mit ihrem Gewissen vereinbaren können, Beihilfe zum Mord zu leisten – merkt ihr eigentlich, dass ihr genau so an der Nase herum geführt werdet? Freiheit steht für Freiheit! Und Sicherheit für Sicherheit! Nichts sonst.