Die gespielte Aufregung über die hohlsten sieben Fernsehminuten des Jahres, ist ein Armutszeugnis für den politischen Journalismus und für das Land. Bescheuerte Fragen bedingen bekloppte Antworten. In der ZDF/SPD-Interviewaffäre, auf dem Höhepunkt der Medienkrise der Bundesrepublik bleibt mir nur das letzte Wort: Kriegt euch wieder ein! Haben wir keine anderen Sorgen als die Frage, ob sich Stichwortgeber und Stichwortnehmer noch lieb haben?
Drehbuch „Die schöne und das Biest“
Wir haben weder ein Interview gesehen, noch einen Skandal erlebt, geschweige denn eine politische Diskussion angestoßen. Was ist das Thema? Die Moderatorin stürzt sich auf einen beliebigen Kritikpunkt und reibt sich daran so lange bis er tatsächlich wie ein wunder Punkt erscheint. Dass der Interviewpartner nur genervt ist von ihrer zickigen Sturheit, schnallt sie nicht. Er kann seinerseits behaupten „Das ist richtig gut, was wir machen“. Die das glauben, dürfen jubeln: „Gabriel ganz Kanzler“. Auch Quatsch!
BILD am Sonntag nennt Marietta Slomka eine „verdammt gute Journalistin“. Ich kann das in diesem Ausschnitt deutscher Wirklichkeit nicht erkennen. Slomka hakt nicht nach. Sie beharrt harthörig darauf, Recht zuhaben. Genau das steht ihr nicht zu. Das Urteil obliegt dem Zuschauer. Sie ist die Moderatorin und kennt entweder ihre Rolle nicht oder spielt eben jene, die von ihr verlangt wird. Sie ist Hauptdarstellerin in einer TV-Show, in der Sigmar Gabriel eine Nebenrolle spielt. Wir erleben keine politische Debatte über die Zukunft des Landes. Wir sehen eine Unterhaltungssendung und die ist als solche sogar gut. Die Verwechslung liegt darin, dass nicht „Wetten, dass…?“ läuft, sondern das heute-Journal. Wetten, dass ich es heute schaffe, ihn mit drei Fragen in die Ecke zu treiben? Mit diesem Vorsatz muss sie die Maske verlassen haben.
Den Auftrag, mit öffentlich-rechtlich abgesichertem Traumgehalt die politische Meinungsbildung im Land von neutraler Position aus zu fördern, den kennt sie nicht oder hat ihn vergessen. Es gäbe Formen, mit denen das ZDF dazu beitragen könnte. Eine kreative Lösung wäre ein Streitgespräch zwischen einem Koalitionsgegner in der SPD und dem Vorsitzenden. Doch dazu müssten beide den Mut haben, Sender und SPD-Spitze. Wetten, dass dies nicht der Fall ist? Schon aus Eitelkeit würden weder ZDF noch SPD das Wort endgültig der Basis überlassen.
Slomkas Fragevariationen implizieren die Antwort: Die Mitgliederbefragung der SPD zur Großen Koalition ist verfassungsrechtlich bedenklich. Gabriel hat Recht, das ist Blödsinn und man wird Unfug wohl noch als solchen bezeichnen dürfen! Sein Argument, dass in den anderen Parteien viel kleinere Gremien über den Koalitionsvertrag befinden, ist stichhaltig. Er macht einen gewaltigen Fehler, indem er immer wieder darauf eingeht. Genervt bringt er Reizwörter, die man ihm später als ungezogen bis undemokratisch auslegen wird. Slomkas Aufmerksamkeitsdefizit spiegelt sich in der Kamera wie eine historische Fehlleistung der SPD-Führung. Nur war die schon früher, nämlich als sie die Koalitionsverhandlungen begonnen haben. Aber das ist ein anderer Kommentar.
Gabriel hätte dieses peinliche Zeugnis medialer Dummheit früher beenden müssen, vielleicht durch die Gegenfrage, ob noch wichtige Fragen kommen. Slomka ist sich allerdings bewusst, dass ihr zugeschaltetes Gegenüber genau das nicht tun wird. Er kann nicht abwinken und aus dem Bild verschwinden. Würde der längst in der Hosentasche aufgeklappte Stinkefinger ins Bild rutschen, wäre das Gabriels politisches Ende. Aber genau dort hätte sie ihn gern. „Schlanke Slomka stürzt den dicken Gabriel“. Darauf zielt das hier ab. Sie kommt dicht dran und dafür gibt es zur Belohnung BILD am Sonntag Seite 1.
Die Slomka ist toll und sowieso hübsch. Der Gabriel ist ein Arsch und fett geworden. Mehr kommt nicht ‚rüber – soll auch nicht. Das Drehbuch folgt der Dramaturgie von „Die Schöne und das Biest“. Die Inszenierung trägt die selben Merkmale wie Seifenopern im ZDF-Nachmittagsprogramm. Die Charaktere müssen einfach und berechenbar sein. Beide sorgen dafür, dass es so bleibt. Alles andere würde das Volk sehr irritieren. Aber glaub mir, die Slomka ist nicht hübscher als deine Freundin. Ich habe sie in Echt gesehen (als Honorarkraft auf einer Gala der bundeseigenen Deutschen Bahn AG) und war enttäuscht. Und der Gabriel ist vielleicht in Wahrheit auch viel schlanker. Die Kamera trägt auf. Ihn habe ich noch nie getroffen, würde ihm aber gern mal ein paar Fragen stellen.