Ich bin ein geheimer Vorgang. Und ich stehe unter Terrorverdacht. Das ist eine Tatsache und kein Scherz. Executive Order 13526: Geheimsache zur „Abwehr des internationalen Terrorismus'“. Ich sage dir, was ich weiß und gebe die Hoffnung nicht auf, dass Menschen den Mut finden, mir zu sagen, was sie darüber wissen.
„We have determined that the fact of the existence or non-existence of the materials you request is a currently and properly classified matter.“ Informationen zu meiner Person sind eine Geheimsache bei NSA und CIA.
Vor einigen Monaten habe ich der NSA geschrieben. Das ist die globalisierte Stasi, die durch die Petze Edward Snowden erst richtig berühmt geworden ist. Ich habe höflich angefragt, was sie über mich gespeichert haben. Ich habe das Recht dazu. Mein Verdacht wurde bestätigt.
Ist es der allgemeine Lauschangriff auf sämtliche Emails und Telefonate oder steckt mehr dahinter? Recherchen zur NATO-Propaganda im Kosovo-Krieg 1999 („Öffentliche Meinung ist die verwundbarste Stelle der Allianz“), Freundschaft zu einem palästinensischen Kameramann, Zeitsoldat bei einer Nachrichtentruppe der NVA, Urlaubsreise nach Aserbaidschan, Trainingscamps zur Körperertüchtigung (ich mache Triathlon)… Mein Leben in zwei Systemen bietet ausreichend Anlass für Missverständnisse. Ich hatte sogar mal Geschäftskontakt zu einer Berliner Firma für Bohr- und Sprengtechnik. Da war ich bestimmt schon für eine Flugreise nach Guantanamo gebucht.
NATO: Geheimsache Öffentlichkeitsarbeit
Als ich 1999 und 2000 für den Deutschlandfunk in Brüssel recherchiere, heulen sich Verbindungsoffiziere aller Herren-NATO-Länder bei mir aus. Sie fühlen sich von Briten und Amerikanern mächtig hintergangen im Kampf gegen den letzten europäischen Diktator Slobodan Milosevic. Du musst wissen: Das war der allererste Krieg der NATO, organisiert wie eine Klassenfahrt und mit Kommunikationsstrukturen wie in einem Landratsamt. Das hatte ich so geschrieben und im Deutschlandfunk gesagt. Meine wissenschaftliche Studie im Fachbereich Publizistik an der FU Berlin hat der „GenSec“ gelesen. So nennen die NATO-Beamten ihren Generalsekretär. Süß, nicht? Du kannst sie hier als PDF herunterladen.
Ich fürchte, ich habe außerdem die eingebetteten Journalisten erfunden. Jedenfalls müssen die lieben Kollegen seit dieser verkorksten Kriegspremiere brav antreten, wenn sie berichten wollen und sobald es wichtig wird, wegtreten. Wann hast du die letzte unabhängige Reportage aus Afghanistan gelesen? – Eben! Die Lehren aus der beinahe verlorenen Propagandaschlacht zogen Briten und Amerikaner, indem sie Öffentlichkeitsarbeit konsequent zur Geheimsache machten. Das ist paradox, hat aber Tradition. Bismarck war es, der gesagt hat: „Es wird niemals so viel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd.“
Ich will mich nicht zu wichtig nehmen. Aber, wären die Sicherheitsorgane damals nicht auf meinen Namen gekommen, würde ich selbst einräumen, dass sie schlampern. Ich bin nur sauer, dass diese Idioten nicht einfach anrufen. Bei einer Tasse Kaffee lässt sich vieles klären. Dass obendrein ein sonniger Septembertag die Welt 2001 in eine unheilbare Paranoia stürzen würde, konnte ich damals nicht ahnen. Zurück zu den Briefen, die ich nach zehn Jahren als mutmaßliche Zielperson geschrieben habe und zu den Antworten.
Diese Schriftwechsel sind eine spannende Testreihe zur persönlichen Freiheit und zum Schutz der Privatsphäre. Seitdem habe ich es schwarz auf weiß. Ich bin ein geheimer Vorgang – classified matter. NSA und CIA wollen mir nicht genau sagen, was los ist. Aber ich finde es nett, dass sie antworten. Das liest sich auf deutsch ungefähr so:
Sie liegen auf unserem Stapel für zu erledigende Geheimsachen. Deshalb geben wir Ihnen keine Auskunft darüber, dass Sie, lieber Herr Priebe, terrorverdächtig sind.
Seit mir bewusst wurde, dass sie mich noch nicht erledigt haben und ich das mit den Drohnen weiß, zucke ich zusammen, wenn ich den ADAC-Hubschrauber höre. Egal was dahinter steckt, die Schreiben offenbaren eine technokratische, die Freiheit des Menschen verachtende Logik: Wir sagen Ihnen nicht, ob wir etwas über sie gespeichert haben. Wir sagen Ihnen schon mal, dass das, was wir gespeichert oder nicht gespeichert haben unter „internationaler Terrorismus“ abgelegt wurde. Sie können jetzt Widerspruch einlegen, aber ändern wird das nichts, sie armes Würstchen! So klingt das für mich. Diese strukturelle Arroganz demokratischen Prinzipien gegenüber begegnet mir auch im Kontakt zur deutschen Staatssicherheit.
NSA und CIA haben schnell geantwortet. Ich hoffe, die Postfrau hat sich von dem Schreck erholt. Die haben schönes Büttenpapier und gepolsterte Umschläge. Zur gleichen Zeit kommen Antwortschreiben des FBI und des britischen MI5. Auch BND, Verfassungsschutz und LKA-Briefe habe ich abgeheftet. Mit dem Verfassungsschutz war es besonders lustig. Den militärischen Abschirmdienst (MAD) habe ich vergessen, wobei der in Bezug auf die NATO-Recherchen am ehesten in Frage kommt. Wer soll aber auch durchsehen bei diesen vielen Stasis? Dass sie es selbst nicht tun, ist seit der Nazi-Möderbande „NSU“, hinreichend belegt.
Seit der Jahrhundertwende weiß ich, welche Hinweise Geheimdienste einem geben, um anzuzeigen: Pass auf, wir beobachten dich! Ich spreche darüber nicht, denn jedes Detail klingt so als hätte es mein Lieblingsschriftsteller John Grisham erfunden. Bleiben wir also bei den Fakten, dem was in der Akte geschrieben steht.
FOIA – Ein Akt der nackten Freiheit
Es steht jedem frei – auch dir – einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen. In den USA regelt das ein Gesetz mit dem Namen „Freedom of Information Act und Privacy Act“ (FOIA). Die Freiheit des Privaten wird darin zu einem Akt im Sinne von nackig. Mich wundert, dass nach dem großen Lauschangriff der NSA noch niemand einen Aufruf gestartet hat, die Agency mit Anträgen zu fluten. Sie antwortet ganz brav. Wenn jeder dritte Deutsche einen Antrag nach FOIA stellt, fliegt dem Obama die Portokasse um die Ohren! Wetten, dass?
Hier die Anschrift:
National Security Agency
ATTN: FOIA Office (DJ4)
9800 Savage Road STE 6248
Ft. George G. Meade, MD 20755-6248
Betreff: FOIA-Request on records indexed to my name
Wie in einem Bescheid über Müllgebühren strotzen die Antworten nur so vor Verwaltungsvorschriften. In den USA sind diese jedoch erstaunlich transparent. Jeder Querverweis führt zu einem bestimmten Absatz in den Geheimdienst- und Antiterrorgesetzen der USA. Man muss sie nur noch googlen. Warum begründen mir NSA und CIA so umständlich, dass sie mir nichts über das Ausmaß der Bespitzelung sagen wollen?
Die Ablehnung meines Antrages durch die NSA bezieht sich auf ein Statut mit der Bezeichnung 18 USC § 798, dass mit Geldstrafe und bis zu 10 Jahren Gefängnis droht, für den Fall der Weitergabe von geheimen Informationen. Schreibt mir Pamela das, weil ich genau dessen verdächtigt werde? Sie schreibt jedenfalls, dass dieses Statut Anwendung auf meinen Fall findet. Andere beziehen sich auf die Befehlsstruktur der Geheimdienste. Pamela verrät mir zwischen den Zeilen, dass sie mich belügt, weil sie die Weisung hat, mich zu belügen. Falls dir beim Lesen der Originaltexte andere Interpretationen einfallen, schreib mir bitte eine Kommentar!
Die Spitzel wollen wissen, warum sie einen bespitzeln
In Deutschland ist die Freiheit zum Schutz persönlicher Daten von vorn herein eingeschränkt. Solange ich den Spitzeln nicht selbst sagen kann, warum sie mir nachstellen, geben sie keine Auskunft. Mein „besonderes Auskunftsinteresse“ muss ich schriftlich darlegen, sonst gibt es keine Akteneinsicht. So lässt man Menschen am ausgestreckten Arm zappeln. Ich muss im Zweifel erklären, warum die mein Haus verwanzen, meinen Computer und das Telefon anzapfen, Menschen in meinem Umfeld aushorchen – auch wenn das Ganze einem Irrtum oder einer kollektiven Paranoia entspringt.
Beim Verfassungsschutz in Köln habe ich deshalb versucht mir vorzustellen, was Interesse an meiner Person geweckt haben könnte. Das ist komisch, denn je mehr du darüber nachdenkst, desto verdächtiger findest du dich selbst. Was wollte Mahmut1 2006 wirklich von mir? Mein Fernsehkollege vom damaligen ORB ist Palästinenser. Seine Familie lebt verstreut über die ganze Welt. USA, Iran, Libanon. Viele seiner Landsleute hatten in der DDR studiert. Die Schlagworte im NSA-Register könnten PLO, DDR, SED und Kommunismus sein. Reicht es, mit so jemandem einen Kaffee zu trinken und über Projekte zu spinnen? Wir haben nicht mal Wasserpfeife geraucht, wenn ihr’s wissen wollt!
„… dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Auskunftsanspruch … nicht vorliegen, da Sie weder einen konkreten Sachverhalt mitgeteilt, noch ein besonderes Auskunftsinteresse vorgetragen haben.“ Aus dem Ablehnungsbescheid des Verfassungsschutzes.
Nun ist mein besonderes Auskunftsinteresse ganz einfach: Ich will meine Ruhe haben, für mich und meine Familie. Meine Erlebnisse und Beobachtungen werde ich zu gegebener Zeit aufschreiben. Nur damit du ein Gefühl dafür bekommst, was eine Überwachung auslösen kann: „Hast du mal eine schwere Schuld auf dich geladen“, fragte mich ein ehemaliger Geschäftspartner, nachdem die Kommunikation ohne erkennbaren Grund von freundschaftlich zu feindselig gekippt war. Wie kommt jemand auf eine solche Frage? Hatte sich wieder jemand nach mir erkundigt? Die Spitzel machen immer den gleichen Fehler. Sie glauben, Menschen könnten dicht halten. Tun sie nicht!
Wenn ich keinen konkreten Sachverhalt kenne, wird meine Akte nach Gesetzeslage zur dauerhaften Hängepartie. Niemand muss sie herausgeben. Irrtum und Korrektur sind in diesem System nicht vorgesehen. Die Stasis halten sich für unfehlbar. In der öffentlichen Debatte verweisen sie gern darauf, dass ihre zigtausend Mitarbeiter von einer Hand voll Abgeordneten kontrolliert werden. Diese Volksvertreter brauchen dafür übrigens eine Sicherheitsfreigabe. Die bekommen sie von wem? Richtig, von denen, die sie kontrollieren sollen! Absurd.
Die Briten waren ganz frech. Die haben auch eine Art FOIA, verlangen aber 10 Pfund Bearbeitungsgebühr. Das schreckt mich ab. Dann behaltet doch den ganzen Kram. Ich weiß über mein Leben sowieso am besten Bescheid.
Nun habe ich gelesen, dass BND und NSA hin und wieder Datenaustausch betreiben. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass ich als Terrorverdächtiger durchgemeldet wurde. Aber auch der Bundesnachrichtendienst will keine Daten über mich gespeichert haben und schickt mir dazu einen umständlichen Bescheid. Also, lieber Herr oder Frau B. beim Bundesnachrichtendienst, entweder seid ihr beim Filesharing von euren Freunden verarscht worden oder ihr verarscht mich. Ich bin noch unschlüssig, was schlimmer ist.
Beim Verfassungsschutz habe ich spontan angerufen. Frau P. kannte den Vorgang schon. Es ist aufschlussreich, wenn jemand ran geht und ohne Aktenzeichen sofort Bescheid weiß. Das kriegt das Ordnungsamt bei meinen Knöllchen nicht hin.
Ich habe zu dieser Sache viele Überlegungen angestellt. Wie werde ich diesen Schatten los? Ist es wichtig oder nicht? Wie stark behindert es mich? (Ein langsamer Rechner ist weiß Gott kein Einzelschicksal, eine zurückgenommene Zusage als Programmchef zu arbeiten schon). Du kannst an den Daten sehen, dass ich jahrelang geschwiegen habe. Das war falsch. Es braucht nur einen deutschen Snowden und der ganze Apparat fliegt auseinander. Zeit wird’s.
Es gibt nur ein Mittel für eine Zukunft in wahrer Demokratie und Freiheit. Um nichts weniger geht es hier. Ich nenne dieses Mittel seit einiger Zeit den Hygienespüler der Demokratie: Transparenz. Es braucht Menschen, die den Mut haben, ihr Wissen zu teilen. So wie den amerikanischen Ex-NSA-Mitarbeiter Edward Snowden, der für ein reines Gewissen sein Leben riskiert. Er hat uns die Chance zur Umkehr eröffnet. Nach dem Gesetz in den USA ist er ein Verbrecher. Aber das waren all jene, die in der DDR gegen die korrupte Macht der Stasi aufbegehrten auch. Ich kann nicht erkennen, warum Menschenverachtung, Machtmissbrauch und Korruption aufgehört haben sollen. Geheimniskrämerei ist immer der Nährboden dafür. Transparenz ist das einzige Gegenmittel und es hat eine fantastische Nebenwirkung: Vertrauen! Misstrauen haben wir genug auf dieser Welt.
Vergesst Geheimdienste als Instrumente zur Terrorabwehr. Diese sich selbst legitimierenden Apparate sind blind. Wissen NSA und BND, wie einfach es ist eine Nachricht aus Afghanistan abhörsicher nach Europa zu bringen?
Jagt Taubenzüchter und nicht mich!
1 Name geändert.
Links und Downloads
- Executive Order 13526 nach der mein Vorgang als geheim eingestuft ist (classified matter)
- Statute: Disclosure of classified information
- Freedom of Information Act (FOIA)
- NSA Anleitung für einen FOIA Antrag
- Zur Einordnung von FOIA-Denials (Ablehnungen)
- vollständiger Schriftwechsel mit Sicherheitsbehörden 2010/11 als PDF
- Studie zur NATO-Kommunikation im Kosovo-Krieg als PDF herunterladen.
- Hintergrund: NRW-Landtagsrede des Netzpolitikers Daniel Schwerd (Piraten) zu Temora und Prism (10.7.13)
- Lesetipp: Der Freitag – „Überwachung – Bitte recht freundlich!„
- Medienanfragen an Mathias Priebe: mail@mathias-priebe.de Tel. 03571 428784, Mobil 0151 53512949